Eigenartige Gesellen – Bartflechten
Wer aufmerksam im Wald unterwegs ist - und großes Glück hat - entdeckt besonders an Nadelbäumen gelegentlich seltsame Gehänge. Sie wehen im Wind wie zu lang gewordene, grau-grüne Bärte, die sich versehentlich nicht auf Menschen, sondern Baumstämmen niedergelassen haben.
Hmpf, denken besorgte Wandersleute vielleicht, das muss eine Krankheit sein. Oh nein, rufen kleine Träumer:innen, das sind doch Grüße von Elfen und Feen, vielleicht auch freundlichen Kobolden!
Für die Besorgten haben wir gute Nachrichten: Diese Wucherungen sind keineswegs Krankheiten, sondern sie heißen Bartflechten und bescheinigender Gegend beste Luftqualität. Denn es sind sehr anspruchsvolle Lebewesen, die bei Schmutz und Dreck nicht nur die Nase rümpfen, sondern sich gar nicht erst niederlassen. Kürzlich haben wir sie auf einer Wanderung in der Nähe von Vareš entdeckt, gleich bei Pogar. Unsere Herzen haben gleich mal einen Extraschlaggetan, so haben wir uns gefreut.
Und ... sind es denn nun Elfen, Feen oder unrasierte Kobolde, die dafür verantwortlich sind?
Hm, ganz so charmant ist die Erklärung nicht, eher bodenständig. Genau genommen sind Flechten nämlich eine Lebensgemeinschaft von Algen und Pilzen, auch Symbiose genannt. 25.000 Flechtenarten gibt es weltweit. Sie wachsen auf allen möglichen Untergründen, auf Steinen, auf Hölzern, an Bäumen. Mal sind sie weiß, mal gelb, ganz grün oder braun, auch schwarze Exemplare kennt man. Sie kommen in verschiedensten Formen daher, mal als Kreise, mal sehen sie auch wie ein Mini-Geweih, und manchmal eben wir Bärte –womit wir wieder bei unserer Bartflechte wären.
Als Baum könnte man vielleicht erst einmal einen Schreck bekommen, wenn sich einem so ein Dings an den Stamm oder die Äste hängt. Aber: die Flechten tun nichts. Im Gegenteil, sie schützen den Baum sogar vordem Angriff anderer Pilze und Bakterien. Kommt so ein Feind des Wegs, rufen sie schon von weitem „Besetzt, hau ab, sonst passiert was. Leg dich nicht mit einer Flechte an!“ Und die Feinde ziehen Leine, cool für den Baum, da lässt er die Kumpels mit den Bärten doch gerne an sich hängen.
Und wir Menschen? Wir sind mal wieder die größten Feinde. Extensive Landwirtschaft bedroht die Existenz von Flechten weltweit. Aber auch Forstwirtschaft hat einen Killer-Side-Effekt. Logisch, wenn man Bäume abholzt, sterben mit ihnen auch die Flechten, die darauf wachsen. Aber die Sache ist noch viel schlimmer. Denn immer, wenn einfach drauflosgeholzt wird, verändert sich das Mikroklima im Wald. Und darauf reagieren Flechten ganz empfindlich. Viele Arten sind weltweit unter Schutz gestellt. Ob sie diesen Schutz auch genießen .... den einen sind sie egal, und andere Menschen passen nicht auf sie auf, weil sie sie einfach nicht kennen.
Im Mittelalter war das anders. Die heilkundige Hildegard von Bingen etwa nutzte verschiedene Flechtenarten zur Behandlung von Krankheiten. Und Jäger verwendeten die Wolfsflechte zum Töten von Raubtieren –denn sie ist sehr giftig, und, unter Fleisch und andere Köder gemischt, wirkte sie tödlich. Soweit man heute weiß, ist die Wolfsflechte aber die einzige giftige Art.
Und noch eine Anwendung gab es: Man trocknete Flechten und mischte sie unter Mehl, das man zum Backen von Kuchen und Brot nutzte. Denn Flechten konservieren das Getreidemehl, eine Eigenschaft, die damals sehr geschätzt wurde.
Unsere Bartflechte wird auch heute noch von Kräuterkundler:innen genutzt. Sie wirkt antibakteriell und entzündungshemmend, kommt bei Akne, Gürtelrose sowie Entzündungen im Rachenraum zum Einsatz.
Aber Vorsicht! Die Bartflechte steht in vielen Gebieten unter Naturschutz. Besser ist also, wir freuen uns einfach über das Gütesiegel für unsere Luft von allerhöchster Stelle – von Mutter Natur.